Wer kennt das nicht? Der zu kleine Käfig. Ein Napf buntes Trockenfutter, vielleicht an einer Stelle noch eine Knabberstange und hier und da ein paar Joghurtdrops. Mittendrin ein Kaninchen. Bestimmt kannst Du Dir diese Szene gut vorstellen. Genauso sah es nämlich über Jahrzehnte in deutschen Haushalten aus. Das Kaninchen, eines der beliebtesten Haustiere, direkt nach Hund und Katze. Einfach zu halten. Völlig unkompliziert und anspruchslos. Oh ja, auf diese Informationen habe auch ich vertraut, als 1999 mein erstes Kaninchen einzog: Krümel. Und genau den vorstehend beschriebenen Lebensraum bekam dieser kleine Schatz. Schließlich hatte ich mich mit Literatur bestens vorbereitet. Damals war unsere Internetleitung eine Schnecke und es war ausgesprochen teuer über das Modem und den normalen Telefonanschluss zu surfen. Heutzutage liest man online, tauscht sich im Social Media aus oder sieht sich YouTube Videos an. Das Informationsangebot, das Sie und ich heute nutzen können, wäre mir damals sicherlich eine wertvolle Hilfe gewesen. So aber musste Krümel fast 5 Jahre mein Fehlwissen ertragen. Wie Du Dir bestimmt vorstellen kannst, bin ich darauf nicht besonders stolz.
Der bunte Napfinhalt sieht lecker aus – ist aber „sch***“!
Kaninchen – sicher nicht anspruchslos!
Ich bin unendlich dankbar, dass sich durch Aufklärung und aktuelle Informationen in den letzten 10 Jahren sehr viel verändert hat. Auch wenn der Hersteller natürlich immernoch zu kleine Behältnisse für Kaninchen und co. anbietet. Und leider gibt es auch immer noch das suboptimale Trockenfutter, das dank Begrifflichkeiten wie „Wellness“ suggerieren soll, man tue seinem Tier damit Gutes. Nun ja, wozu braucht „der Hase“ Wellness im Napf? Ich denke für ihn wäre ein Strauß frischer Löwenzahn sicherlich die beste Form von „Feel-good“. Denn wovon stammt das Hauskaninchen bitteschön ab? Richtig! Vom Wildkaninchen. Lass uns deshalb einmal auf gewisse Mythen in der Kaninchenernährung eingehen:
Mythos 1:
Trockenfutter ist schön bunt und hält Dein Kaninchen rundum gesund
So oder so ähnlich könnte ein Slogan der Futtermittelindustrie lauten, nicht wahr? Es ist günstig und bequem. Tüte / Karton auf, rein in den Napf und zusehen, wie sich das geliebte Kaninchen glücklich darauf stürzt. Hast Du schon einmal nachgedacht, was seine wilden Verwandten fressen? Vielleicht konntest Du ein Wildkaninchen beim Äsen schon einmal beobachten. Sie ernähren sich zum großen Anteil von Gräsern, Kräutern, Blüten und Blättern. Natürlich werden hier und da auch Sämereien oder etwas Getreide gefressen. Aber Milchprodukte? Bäckereierzeugnisse? Sojaöle? Eier? Wohl kaum! Warum aber verfüttern wir es dann, statt vor dem Kauf einen Blick auf die Zusammensetzung der Trockenfuttermischung zu werfen?
Zudem fressen Wildkaninchen nahezu nur Frisches, mit Ausnahme einiger getrockneter Halme usw. Sie decken ihren Flüssigkeitsbedarf somit größtenteils über die Ernährung. Ich gebe zu, als Stadtmensch ist es durchaus schwer, diese kaninchengerechte Kost zu bewerkstelligen. Oft gibt es in der näheren Umgebung keine Wiesen, die nicht als Hundeklo missbraucht werden. Und selbst wenn befindet sich dort eher ein kurzgehaltener Rasen, als eine Wildblumenwiese mit hohen Gräsern. Und falls ja, darf man überhaupt alles davon füttern? Und damit sind wir auch schon bei Mythos 2.
Mythos 2:
Grünfutter – mehr Schaden als Nutzen
Das Wildkaninchen kann durchaus selektieren, was es in welcher Menge fressen kann. Es greift hier und da durchaus zu Efeu und Thuja, in homöopathischen Dosierungen, wie ich es gern nenne. Es weiß, welche Dosis das Gift ist. Bei unserem Hauskaninchen ist das anders. Wer soll ihm denn auch beibringen, was ungiftig ist? Es kommt meist relativ geschützt auf die Welt. Gibt es Gartenauslauf, dann in der Regel ausschließlich auf begrenztem Raum, auf dem sich keine Giftpflanzen befinden. Diese hat ihr Mensch vorsorglich entfernt. Das ist auch gut so, denn vermutlich wissen selbst Kaninchenmutter und die restlichen Gruppentiere nicht, was ungefährlich und was giftig ist. Eine zu große Menge von Thuja oder Efeu kann lebensbedrohlich sein und zum Tode führen. Doch was ist „eine zu große Menge“? Da ich vor sehr vielen Jahren in meiner Forenaktiven Zeit verschiedene Todesfälle durch derartige „Giftpflanzen“ erlebt habe und von Haus aus ein sehr vorsichtiger Mensch bin, habe ich bei meinen eigenen Tieren keine Experimente gewagt. Denn sind wir doch mal ehrlich: Es gibt genug anderes Grün, das man bedenkenlos geben kann, so dass man auf Efeu, Thuja und co. durchaus verzichten kann.
Ansonsten ist jedoch ungiftiges Grünfutter in Form von Wildgräsern, Wildkräutern, Wildblumen, Blättern und Zweigen die gesündeste und tiergerechteste Kost, die das Hauskaninchen bekommen könnte. Und noch dazu hat dieses Futter einen ganz besonderen Nutzen. Es kürzt nämlich die Zähne, was Mythos 3 nicht tut.
Mythos 3:
Hartes Brot kürzt Zähne
Ein schönes Beispiel habe ich nun für Sie und bitte Dich einmal zu einem harten Stück Brot oder Brötchen zu greifen und ein kleines Stück abzubeißen. Kommt Speichel dazu passiert etwas völlig Natürliches: Das Stück wird zu einer weichen Pampe. Wie dient es so dem Zahnabrieb? Ich denke der Mythos vom Brot ist daraus entstanden, dass man den überwiegend als Nutztiere gehaltenen Kaninchen Futter geben wollte, was aus Sicht der Menschen zu schade zum Wegwerfen gewesen ist. Denn nach dem Krieg war vieles relativ teuer. Alles wurde irgendwie weiter verwertet.
Auch wenn es äußerst seltsam im ersten Moment klingt, das Optimalste für die Zähne sind lange Gräser, Löwenzahn, Spitzwegerich und weitere Wildkräuter. Denn um diese zu zerkleinern muss das Kaninchen ausgesprochen lange den Ober- und Unterkiefer aufeinander reiben. Die Zähne werden dadurch optimal benutzt und durch die mahlende Bewegung gekürzt. Dieses Video macht das sehr schön deutlich: https://www.youtube.com/watch?v=ahL9WeWW7e8
Doch da viele Kaninchenbesitzer leider nicht die Menge an Grün heranschaffen können, gibt es in der Regel nur einen gewissen Anteil davon und darüber hinaus Salate, frisches Gemüse und wenig Obst.
Mythos 4:
Kohl macht Bauchweh
Allerdings darf Kohl nicht gegeben. Auch einer der Mythen in der Ernährung, die sich hartnäckig halten. Ich gebe zu, auch ich habe eine gewisse Achtung vor Kohlgewächsen. Denn leider hat nicht nur eins meiner Kaninchen darauf äußerst sensibel reagiert. Kohl kann Blähungen in der Verdauung verursachen. Während der Kohlrabi bei uns am Ende gar nicht mehr gefüttert wurde, eben weil ich damit ausgesprochen schlechte Erfahrung gemacht habe, kamen in den Wintermonaten jedoch Blattkohlsorten (wie Wirsing, Grünkohl, Spitzkohl usw.) zum Einsatz. Meine Kaninchen vertrugen das gut, da sie frische Kost gewohnt waren. Einem Trockenfutter-Kaninchen würde ich keinesfalls blähende Sorten anbieten. Hier muss zwingend erst einmal eine langsame Umstellung auf frische, unproblematische Kost erfolgen (wie wenig Fenchel, Karotte, etwas Salat), ehe man dann in geringer Menge mit Kohl beginnt und das langsam steigern kann.
Andernfalls riskiert man Verdauungsprobleme (Blähungen, Durchfall …) und die sind bei Kaninchen je nach Schwere durchaus bedenklich und können zum Tode führen.
Mythos 5:
Die Heu-Wasser-Diät stoppt Durchfall
Womit wir bei Mythos 5 angekommen sind. Du kennst sicherlich den gängigen Tipp, dass man Durchfall zwingend stoppen muss, ganz gleich warum der Körper dieses Symptom geschaffen hat. Es ist also nicht verwunderlich, dass man dies auch bei Kaninchen rät. Tritt Durchfall ein, sofort jegliche frische Kost beseitigen und nur noch Heu und Wasser geben. Einen dümmeren Tipp gibt es gar nicht. Der Körper des Kaninchens hat durch den Durchfall eh schon genug Wasser verloren. Wie obenstehend bereits erwähnt, nimmt das Kaninchen über frische Kost jedoch den Großteil an Flüssigkeit auf. Entferne ich das nun und lasse nur noch trockenes Heu geben, geschieht eines: Der Körper muss für die Verdauung der Halme aus eigenen Ressourcen Wasser entziehen, schließlich besitzt Heu einen äußerst unbedeutenden Gehalt an Feuchte. Der Körper kann dadurch leicht dehydrieren. Und on top können sich Mineralstoffe wie das Calcium aus dem Heu in den Harnwegen absetzen. Diese werden bei ausreichender Flüssigkeit durch optimale Ernährung per Urin ausgeschieden. Bei zu trockener Kost funktioniert das jedoch nicht. Harngrieß und andere Symptome können entstehen.
Kaninchen würden Wiese kaufen
So lautet nicht nur der ziemlich clever gewählte Buchtitel des von mir sehr geschätzten Kaninchenexperten Andreas Rühle, er hat damit sogar noch Recht. Genauso wie für Katzen die Maus das Beste wäre, brauchen Kaninchen für ihre Gesundheit möglichst das Folgende:
- Eine tiergerechte, möglichst frische Ernährung und das mehr als zweimal pro Tag!
- Mindestens einen Artgenossen, denn Einzelhaltung von Kaninchen geht gar nicht!
- Einen ausreichend großen Lebensraum von mehr als 2 qm Fläche pro Tier (bei Innenhaltung) und sogar mehr als 3-4 qm pro Tier bei Außenhaltung!
Sie sind keine Kuscheltiere, können aber durchaus zutraulich werden. Und mit der richtigen Basis erreichen Kaninchen sogar ein Lebensalter von 11-13 Jahren. Ich habe fast 20 Jahre an der Seite dieser bezaubernden Tiere gelebt, bis ich im Februar 2018 meine letzte Häsin Feli im stattlichen Alter von 11 Jahren leider verabschieden musste.
Sonja in Sachen Kaninchenernährung bei Hundkatzemaus
Wenn Du Dir meine Mythen gerne im Rahmen eines Fernsehbeitrags mit ausgesprochen zauberhaften Kaninchen und der sympathischen Diana Eichhorn ansehen möchten, findest Du hier den Link zum Beitrag von VOX Hundkatzemaus: KLICK MICH
Ich bedanke mich von Herzen für die Möglichkeit, dass ich ein zweites Mal Diana beim Dreh unterstützen durfte. Außerdem ein herzliches Dankeschön an das Tierheim Leverkusen, welches uns diesen Drehtag ermöglicht hat. Wer auf der Suche nach einem bezaubernden Langohr ist, der sollte dieses Tierheim in jedem Fall besuchen. Anton, Josefine, Leonie, Timmi und all die anderen freuen sich und warten auf ihr Langohrtraumzuhause.
Du hast Fragen zur Ernährung? Nimm gerne Kontakt zu uns auf.